Gesunde und zufriedenere Schweine durch Ballaststoffe?
In der menschlichen Ernährung spricht man gern davon, dass eine vollwertige ballaststoffreiche Nahrung, die einen guten Mix der natürlichen Nahrungsmittelvielfalt verwendet, der beste Weg ist, um sich gesund zu erhalten und wohl zu fühlen. Gilt das auch für Schweine? Ein Beitrag von Dr. Wilke Griep.
Antinutritive Faktoren begrenzen Einzelfutterverwendung
Neben der Versorgung mit Energie und essenziellen Nähr- und Wirkstoffen erhält das Schwein mit dem Futter auch Stoffe zugeführt, die sowohl günstig, aber auch antinutritiv bis toxisch wirken können. In der Vergangenheit versuchte man vorrangig, toxische Effekte, wie sie zum Beispiel von den Ergotalkaloiden des Mutterkorns herrühren, auszuschließen und antinutritive, also die Ernährungseffizienz herabsetzende Effekte, zu begrenzen. Daher haben sich für den Roggen praxisübliche Begrenzungen des maximalen Einmischungsanteils von 10 % für Ferkel, 25 % für Sauen und bis 50 % für Mittel-Endmastschweine weitgehend eingebürgert. Die Mutterkorn- und Mykotoxinschwellenwerte werden für die Verwendung von Roggen in der Human- aber auch in der Tierernährung natürlich beachtet, um Toxizitätsrisiken zu beherrschen.
Eine leistungsorientierte Fütterung hat heute mehr denn je die Zufuhr von Faserstoffen mit dem Futter im Blick und bezieht sie in die Optimierung von Mischfuttern mit ein. Denn die Faserstoffe sind weniger als Energie- und Nährstofflieferanten für das Tier wichtig, sondern sie sind Sattmacher und Nährsubstrat für die gutartigen Mikroben im Verdauungstrakt sowie für die Entwicklung einer günstigen mikrobiellen Flora und belastbaren Darmgesundheit und als Beschäftigungsmaterial von großer Bedeutung.
Sattmacher: Faserträger mit hoher Quellfähigkeit und großem Wasserbindungsvermögen wirken sättigend und beruhigend. Faserstoffe tragen außerdem dazu bei, die Darmpassage zu erhöhen und gehören zu den prophylaktischen Maßnahmen zur Vermeidung von Verstopfungen und MMA im geburtsnahen Zeitraum bei den Sauen.
Tragende Sauen benötigen bei einem vergleichsweise geringen Nährstoffbedarf Beschäftigung und Sättigung. Durch Faserstoffe zerkauen die Tiere das Futter intensiver, chemotaktische Reize durch das faserangereicherte voluminösere Futter vermitteln das Sättigungsgefühl. Ferkel, Mastschweine und laktierende Sauen sind gesundheitlich stabiler und entwickeln weniger Verhaltensanomalien wie Kannibalismus und sind weniger aggressiv, wenn Faserstoffe gekaut und aufgenommen werden.
Mikrobenfutter: Im Dünndarm sind Struktur- und Faserkohlenhydrate wie Pentosane und Fructane schwer verdaulich. Daher haben sie einen eher geringen Nährwert für das Schwein. Sie sind aber für gutartige Mikroben im Dickdarm, u. a. die Bifidobakterien, ein Nährsubstrat. Wenn genügend Pentosane und Fructane unverdaut den Dickdarm mit dem Verdauungsbrei erreichen, bildet sich eine mikrobielle Flora heraus, die kurzkettige Fettsäuren wie die Buttersäure (Butyrat) und Milchsäure (Laktat) vermehrt bildet und freisetzt. Insbesondere die Milchsäure trägt zu einem sauren Milieu im Verdauungstrakt bei und drängt bösartige Keime zurück. Die Butyrate ernähren die Darmschleimhaut und tragen zur Entwicklung eines gesunden abwehrstarken Darms mit weniger Risiko des Auftretens von Ebergeruch und der Salmonellen-Anheftung im Darm bei. Auch die Darmwandzellen verändern sich so, dass effizienter Nährstoffe absorbiert und verwertet werden.
Tierwohl/-leistung: Der Roggen bringt mehr Pentosane und Fructane mit als jede andere Getreideart. Das bedeutet, dass die Faserstoffe im Roggen eine günstige Wirkung auf Tierwohl, Tiergesundheit und Leistungsvermögen haben. Einzelfuttermittel wie Roggen liefern damit nicht nur Energie und lysinreiche Proteine, sondern erlauben durch ihre Auswirkungen auf die Darmflora eine Verbesserung der Darmgesundheit, des Tierwohls und der Leistungsfähigkeit. Mikrobiologische Untersuchungen bestätigen, dass die für den Roggen typischen höheren Gehalte an Fructanen und Arabinoxilanen, also die Ballaststoffe im Roggen, sich auf die Darmgesundheit günstiger auswirken als die der Triticale.
Beispiel für eine N- und P-reduzierte Fütterung in der Mast In der Endmast verzehren Schweine die größten Futtermengen im Verlaufe der Mast. Ziele, wie kosteneffiziente und nachhaltige Futtermittelverwendung, erlangen in dieser Phase die größte Bedeutung. Gesundheitliche Risiko- und Stressminimierung gewinnt hier aber ebenso an Bedeutung, weil Verluste schwerwiegender sind und mehr zu Buche schlagen.
In Abb. 2 ist die Struktur von N- und P-reduzierten Mischungen für die Endmast wiedergegeben. Auf der Basis von Erzeuger- bzw. Einkaufspreisen in der Zeit Februar bis Mai 2018 in Nordwestdeutschland (Land und Forst) enthalten die Optimierungsergebnisse immer Roggen in hohen Anteilen. Dabei wurden keine Minimum- oder Maximum-Getreidevorgaben verwendet. Die Mischungen mit Ölschroten sind teurer als die mit Leguminosen.
Alle Mischungen erfüllen bezüglich der sieben wichtigsten essenziellen Aminosäuren die Anforderungen der Aminogramm-Verhältnisse auf der Ebene der praecaecal verdaulichen Aminosäuren. Eine ausreichende Versorgung mit verdaulichem Phosphor (vP) bei Berücksichtigung der Wirkungen einer zugesetzten Phytase ist mit merklich über 2,0 g vP/kg gegeben.
Die Strukturkohlenhydrate haben das Potenzial als antinutritive Faktoren im Futter für Schweine die Viskosität zu verändern und damit die Darmpassage zu verlangsamen und dadurch die Futteraufnahme und Futterverwertung ungünstig zu beeinflussen. Geeignete NSP-spaltende Enzymzusätze helfen dabei, eine optimale Viskosität einzustellen. Neuere Erkenntnisse belegen aber auch, dass die Strukturkohlenhydrate des Roggens beim Schwein ebenso wie die Ballaststoffe in der Humanernährung sich signifikant positiv auf die Darmgesundheit auswirken.
Die Beispiele für N- und P-reduzierte Endmastfuttermischungen zeigen, dass Roggen in der Mast wettbewerbsfähig sein kann und Tierwohl und Tiergesundheit unterstützt. Roggen trägt zu mehr Nachhaltigkeit in der Schweinemast bei!