Ist die Mutterkorn-Einstufung realitätsnah?
Die Benotung einer Roggensorte durch das Bundessortenamt hinsichtlich ihrer Anfälligkeit für Mutterkorn ist oft bei der Sortenwahl ein wichtiges Kriterium. Aber wie realitätsnah sind diese Noten? Ergebnisse der Landessortenversuche aus Deutschland und Polen lassen Produktmanager Daniel Husmann zweifeln.
Die fünfjährigen Ergebnisse nach natürlicher Infektion zeigen, dass bei günstigen Befallsbedingungen alle Sorten einen mehr oder weniger hohen Mutterkornbesatz aufweisen. Sorten wie KWS Binntto oder KWS Eterno mit APS 4, sind Sorten wie SU COSSANI oder SU ARVID nach der mehrjährigen Datengrundlage keinesfalls überlegen. Die vergleichsweise geringen Sortenunterschiede werden durch eine starke Streuung zusätzlich relativiert. Dies ist auf die Standortgegebenheiten und die unterschiedliche Witterung in den einzelnen Jahren zurückzuführen.
Ergebnisse der polnischen PDO-Versuche* (Tab. 1) bestätigen die Ergebnisse der LfL. Genauso wie bei der LfL werden die Sorten ohne Mischungspartner unter natürlicher Infektion geprüft, welches einen direkten Vergleich zulässt. Ohne die Einmischung wird die Leistung womöglich sogar noch unterschätzt.
Niederschläge während der Blüte führen zu einer schlechten Bestäubung, wodurch die Einnistung von Mutterkornkonidien begünstigt wird. Die Hauptverbreitung der Konidien erfolgt über Spritzwasser. Des Weiteren tragen Insekten die Konidien weiter, denn die Bildung des süßen Honigtaus, die nach einer Infektion einsetzt, zieht Insekten an. In der klebrigen Masse, mit der die Insekten dann in Kontakt kommen, sind Konidien gelöst. So tragen die Insekten die Konidien weiter.
Auch wenn Witterung und Standortbedingungen die wesentlichsten Einflussfaktoren für den Mutterkornbefall sind: Man kann durch gezielte Maßnahmen – oder durch deren Unterlassen – dem Mutterkornbefall gezielt entgegenwirken.
- NIEMALS während der Blüte beregnen!
- Ziel: Etablierung gleichmäßiger Bestände mit gleichmäßiger Blüte – kein Zwiewuchs und Bildung von Nachschossern: Saatstärke, -tiefe, Reihenabstand, Bestandesdichte etc. anpassen
- Kontrolle der Wirte: z. B. Weidelgräser, Getreide etc.
- Verwendung von Z-Saatgut: Saatgut ist frei von Mutterkorn – im Gegensatz zu selbst produziertem Saatgut –
- Pflege von Brachen und Feldrändern
- Vermeidung enger Roggenfruchtfolgen
- Keine Mulchsaat nach Getreidevorfrucht
- Gegebenenfalls eine partielle Ernte in Erwägung ziehen – Separierung der Schläge nach Befallsdruck
In den „Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide“ (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 02/2014) sind die aufgeführten Maßnahmen ausführlich beschrieben.
Fazit:
Unter Praxisbedingungen folgen die Sortenunterschiede in der Mutterkornanfälligkeit nicht unbedingt der Einstufung des Bundessortenamtes nach künstlicher Infektion. Es stellt sich die Frage, ob eine Einstufung nach künstlicher Infektion überhaupt repräsentativ ist. Fest steht aber, dass die Sortenwahl nur eine Einflussgröße ist, die allerdings in Befallsjahren bei weitem nicht ausreicht, das Mutterkornproblem zu beherrschen. Größte Einflussgröße bleibt die Witterung während der Blüte. Zudem hat die Produktionstechnik, im Hinblick auf Zwiewuchs und die Bildung von Nachschossern, einen großen Einfluss auf den Befall mit Mutterkorn.
Zurzeit unternimmt die Züchtung große Anstrengungen, vollstäubende Hybridroggensorten zu züchten, um eine effektive Mutterkornabwehr sortenseitig zu erreichen. Bis dahin stellt auch die Einmischung von Populationsroggen eine effektive Mutterkornabwehr dar. Sollte es jedoch zu einem Befall gekommen sein, müssen betroffene Partien von der Erfassungsstufe mit Farbauslesern gereinigt werden.