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Ist die Mutterkorn-Einstufung realitätsnah?

Die Benotung einer Roggensorte durch das Bundessortenamt hinsichtlich ihrer Anfälligkeit für Mutterkorn ist oft bei der Sortenwahl ein wichtiges Kriterium. Aber wie realitätsnah sind diese Noten? Ergebnisse der Landessortenversuche aus Deutschland und Polen lassen Produktmanager Daniel Husmann zweifeln.

Als Mutterkorn wird die Überdauerungsform des Pilzes Claviceps purpurea bezeichnet, der Gräser und Getreide befallen kann. Anstatt eines Kornes bildet sich in den während der Blüte infizierten Ähren ein dunkles Mutterkorn (Sklerotium). Von allen Getreidearten wird der Roggen besonders häufig vom Pilz befallen. In Deutschland werden Roggensorten vom Bundessortenamt im Wertprüfungsverfahren auf ihre Mutterkornanfälligkeit geprüft. Anders als in den Landessortenversuchen wird in der Wertprüfung eine künstliche Inokulation (Impfung) durchgeführt. Die Anfälligkeit einer Sorte für Mutterkorn wird in den Wertprüfungsjahren 2 und 3 ermittelt und in einer Ausprägungsstufennote von 1–9 (APS) beschrieben (1 = tolerant, 9 = sehr anfällig). Werden die mehrjährigen Ergebnisse des Landessortenversuches der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit den Einstufungen des Bundessortenamts verglichen, fällt auf, dass die Resultate der Länderdienststelle nicht unbedingt den Mutterkorneinstufungen des Bundessortenamtes entsprechen (Abb. 1 und 2).
Mutterkorn, Anzahl Körner, LSV Bayern
Mutterkorn, Gewicht, LSV Bayern
Es kann jede Sorte treffen

Die fünfjährigen Ergebnisse nach natürlicher Infektion zeigen, dass bei günstigen Befallsbedingungen alle Sorten einen mehr oder weniger hohen Mutterkornbesatz aufweisen. Sorten wie KWS Binntto oder KWS Eterno mit APS 4, sind Sorten wie SU COSSANI oder SU ARVID nach der mehrjährigen Datengrundlage keinesfalls überlegen. Die vergleichsweise geringen Sortenunterschiede werden durch eine starke Streuung zusätzlich relativiert. Dies ist auf die Standortgegebenheiten und die unterschiedliche Witterung in den einzelnen Jahren zurückzuführen.

Ergebnisse der polnischen PDO-Versuche* (Tab. 1) bestätigen die Ergebnisse der LfL. Genauso wie bei der LfL werden die Sorten ohne Mischungspartner unter natürlicher Infektion geprüft, welches einen direkten Vergleich zulässt. Ohne die Einmischung wird die Leistung womöglich sogar noch unterschätzt.

Tabelle 1: Ergebnisse polnischer Offizialversuche zum Mutterkornbefall
Der Hauptgrund für Mutterkornbefall ist die Witterung

Niederschläge während der Blüte führen zu einer schlechten Bestäubung, wodurch die Einnistung von Mutterkornkonidien begünstigt wird. Die Hauptverbreitung der Konidien erfolgt über Spritzwasser. Des Weiteren tragen Insekten die Konidien weiter, denn die Bildung des süßen Honig­taus, die nach einer Infektion einsetzt, zieht Insekten an. In der klebrigen Masse, mit der die Insekten dann in Kontakt kommen, sind Konidien gelöst. So tragen die Insekten die Konidien weiter.

Man kann den Mutterkornbefall beeinflussen

Auch wenn Witterung und Standortbedingungen die wesentlichsten Einflussfaktoren für den Mutterkornbefall sind: Man kann durch gezielte Maßnahmen – oder durch deren Unterlassen – dem Mutterkornbefall gezielt entgegenwirken.

  • NIEMALS während der Blüte beregnen!
  • Ziel: Etablierung gleichmäßiger Bestände mit gleichmäßiger Blüte – kein Zwiewuchs und Bildung von Nachschossern: Saatstärke, -tiefe, Reihenabstand, Bestandesdichte etc. anpassen
  • Kontrolle der Wirte: z. B. Weidelgräser, Getreide etc.
  • Verwendung von Z-Saatgut: Saatgut ist frei von Mutterkorn – im Gegensatz zu selbst produziertem Saatgut –
  • Pflege von Brachen und Feldrändern
  • Vermeidung enger Roggenfruchtfolgen
  • Keine Mulchsaat nach Getreidevorfrucht
  • Gegebenenfalls eine partielle Ernte in Erwägung ziehen – Separierung der Schläge nach Befallsdruck


In den „Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide“ (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 02/2014) sind die aufgeführten Maßnahmen ausführlich beschrieben.

Mutterkornbefall im Vorgewende; Bild: Husmann

Fazit:

Unter Praxisbedingungen folgen die Sortenunterschiede in der Mutterkornanfälligkeit nicht unbedingt der Einstufung des Bundessortenamtes nach künstlicher Infektion. Es stellt sich die Frage, ob eine Einstufung nach künstlicher Infektion überhaupt repräsentativ ist. Fest steht aber, dass die Sortenwahl nur eine Einflussgröße ist, die allerdings in Befallsjahren bei weitem nicht ausreicht, das Mutterkornproblem zu beherrschen. Größte Einflussgröße bleibt die Witterung während der Blüte. Zudem hat die Produktionstechnik, im Hinblick auf Zwiewuchs und die Bildung von Nachschossern, einen großen Einfluss auf den Befall mit Mutterkorn.

Zurzeit unternimmt die Züchtung große Anstrengungen, vollstäubende Hybridroggensorten zu züchten, um eine effektive Mutterkornabwehr sortenseitig zu erreichen. Bis dahin stellt auch die Einmischung von Populationsroggen eine effektive Mutterkornabwehr dar. Sollte es jedoch zu einem Befall gekommen sein, müssen betroffene Partien von der Erfassungsstufe mit Farbauslesern gereinigt werden.

Das Effizienz Saatgut.

Insbesondere auf Stressstandorten und unter für konventionelle Sorten suboptimalen Anbaubedingungen hat sich das Hybridgetreide als effiziente, ertragreiche und vor allem auch ertragsstabile Fruchtart bewiesen. Je schwieriger die Anbaubedingungen, desto größer ist der Ertragsvorsprung.

Dieses gilt vor allem bei ungünstigen Wetter- und Bodenbedingungen, ungünstigen Vorfrüchten, knapper Nährstoffversorgung und erhöhtem Krankheitsdruck. Dieser Vorteil der Hybriden beruht vornehmlich auf dem besonderen Heterosiseffekt, der zu einem ausgeprägteren Wurzelwerk, stärkerer Bestockungsneigung und Blattentwicklung, sowie einem besseren Kompensationsvermögen nach Stresseinwirkung führt. Im Saatgutvertriebsunternehmen Saaten-Union sind Züchterhäuser formiert, die sich seit Jahrzehnten in die Züchtung von Hybridweizen und Hybridroggen und seit einigen Jahren auch Hybridgerste engagieren. Dieses Engagement ist jetzt im internationalen HySEED-Programm intensiviert und gebündelt worden. Die Zuchtziele sind dabei klar definiert durch das, was der Markt in Zukunft fordern wird: Mehr Leistung und Leistungsstabilität, mehr Effizienz. Die Vorteile, die Hybridroggen und -weizen gegenüber Liniengetreide haben, werden wir Ihnen auf diesen Seiten demonstrieren. Aber auch, auf welcher züchterischen Leistung der Mehrwert der Hybriden beruht. Wir sind davon überzeugt: Hybridgetreide ist prädestiniert, Anbaurisiken zu vermindern, die aufgrund des Klimawandels und sich ständig verschärfender politischer Rahmenbedingungen stetig zunehmen.