Roggen punktet im Klimawandel
Zur Aussaat 2019 setzen viele Betriebe vermehrt auf Vielfalt, um pflanzenbaulichen Herausforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen zu begegnen. Der extrem nutzungsflexible Winterroggen konnte daher erhebliche Flächen zurückgewinnen. Und das hat gute Gründe, wie Fenja Luhmann, Produktmanagerin Hybridroggen, erläutert.
Bereits 2018 wurde aufgrund der schwachen Maisernte vermehrt Getreide – und hier besonders Hybridroggen – als GPS genutzt, um den Grundfutter- und Substratbedarf zu decken. 2019 drohen in einigen Regionen erneut Engpässe in der Futter- und Substratversorgung. Dabei hilft Hybridroggen nicht nur, Versorgungslücken zu schließen. Auch die Maisfruchtfolgen werden aufgelockert und die Ertragssicherheit auf Maisgrenzstandorten wird verbessert. Außerdem brechen Arbeitsspitzen in der Silomaisproduktion und das Ausbringfenster für Gülle und Gärreste erweitert sich.
Für Getreide-GPS in Deutschland belaufen sich die Schätzungen von Destatis im 6-jährigen Mittel (2012–2017) auf ca. 86,4 Tha. Die flächenmäßig größten Bundesländer für Getreide-GPS-Nutzung sind Bayern (ca. 33 Tha), Baden-Württemberg (ca. 14 Tha) und Schleswig-Holstein (ca. 15 Tha). Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Anbaufläche von Getreide-GPS 2019 auf 120 Tha steigen wird (s. Abb. 1).
Schwerpunktländer für Roggen-GPS dagegen sind Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit geschätzten 35 Tha zur Ernte 2019. Im Vergleich zu den Vorjahren wäre das eine Steigerung um ca. 25 %. In der Wertprüfung für GPS-Roggen 2019 liegen die Trockenmasseerträge bei ca. 150 dt/ha und damit über dem langjährigen Durchschnitt (s. Abb. 2).
Grundlage für eine gute Qualität ist eine passgenaue Produktionstechnik in Kombination mit optimalen Aussaat- und Ernteterminen.
Die Analyse von mehr als 80 Getreide-GPS Proben der LuFa Nord-West zeigt 2019 große Schwankungen besonders bei TM-Gehalt, Stärkegehalt und den Faserwerten. Da diese Kriterien maßgeblich den Energiegehalt beeinflussen, variierten auch diese erheblich. In Riswicker Versuchen wurden Verdaulichkeiten analysiert, die deutlich über den theoretischen DLG-Werten liegen. Die theoretische, oft verwendete Schätzgleichung würde den Energiegehalt also unterschätzen. Dies zeigt einmal mehr, dass man den Futterwert der eigenen Silage analysieren lassen sollte, statt sich auf tabellarische Werte zu verlassen.
Meist wird beim Thema Getreide-GPS neben Hybridroggen in einem Atemzug Wintertriticale genannt. Beide haben ihre Vorteile, jedoch sprechen einige Gründe für den Roggen. Besonders in Veredelungsregionen war Wintertriticale lange eine feste Größe. Aber in den Jahren 2018 und 2019 war Winterroggen der Triticale in puncto Ertragspotenzial und -stabilität nicht nur auf den leichten Standorten, sondern auch auf Böden mit mittlerer Güte deutlich überlegen.
Langjährige Versuche der Fachhochschule Kiel in Zusammenarbeit mit der Saaten-Union vergleichen u. a. die Trockenmasseleistungen der Winterungen Weizen, Triticale, Roggen und Gerste auf unterschiedlichen Standorten: dem schleswig-holsteinischen Rendsburg einerseits und dem bayerischen Moosburg andererseits. Beide Standorte sind lehmige Sande und zählen mit durchschnittlichen Niederschlagsmengen zwischen 814 mm (Moosburg) und 850 mm (Rendsburg) zu den niederschlagsreicheren Regionen. Allerdings weist Moosburg zwischen 60–80 Bodenpunkten auf, Rendsburg lediglich ca. 45. Die Versuchsergebnisse zeigen einen großen Einfluss von Jahr und Standort (s. Abb. 3).
In den Jahren 2015, 2018 und 2019 herrschte an beiden Standorten eine ausgeprägte Frühsommertrockenheit. Hier war Roggen selbst in Moosburg, einem Standort, an dem jahrelang die Triticale ertraglich dominierte, der Triticale in den Trockenmasseerträgen überlegen. Besonders in dem Dürrejahr 2018 punktete er mit guter Trockentoleranz.
Wichtig ist bei abnehmender Bedeutung des chemischen Pflanzenschutzes auch die Gesundheit der Kultur der Sorte. Während moderne Hybridroggensorten gesünder und standfester geworden sind, hat sich Triticale zu einer Intensivkultur entwickelt. Aufgrund des zunehmenden Auftretens von Mehltau, Gelbrost, Braunrost und Fusarium, erfordern hohe Erträge in Triticale einen immer höheren Fungizidaufwand. Hybridroggen ist mit Abstand die Getreideart mit der besten Effizienz, erzielt also bei knappen Wasservorräten und limitiertem Nährstoffangebot die höchsten Erträge. Aufgrund der zügigen Jugendentwicklung und gleichzeitig tiefgründigem Wurzelwerk ist die N-Ausnutzung des organischen Düngers bei Roggen um ca. 10 % besser als bei Triticale. Daher werden höhere Mineraldüngeräquivalente realisiert, was zu einer deutlichen Entspannung des Nährstoffsaldos führt. Zudem kommt Roggen bei angepasster Düngung besser mit der schwer kalkulierbaren N-Mobilisation aus dem Boden zurecht. Aufgrund der Züchtung von Doppelnutzungshybriden hat Roggen eine hohe Nutzungsflexibilität. Es kann also kurzfristig entschieden werden, ob ein Bestand als GPS oder als Körnerroggen genutzt wird.
Aktuelle Klimaszenarien prognostizieren für Mitteleuropa eine Zunahme der Frühsommertrockenheit. Unter diesen Bedingungen kann erwiesenermaßen der trockenresistente Roggen punkten – sowohl als GPS als auch in der Körnernutzung. Letzteres konnte auch die 8-jährige Auswertung der Körnererträge in den Landessortenversuchen von Hybridroggen, Triticale, Gerste und Stoppelweizen zeigen, die von der KWS Lochow durchgeführt wurde. Im Mittel der Jahre erreichte der Roggen hier 5 % Mehrertrag im Vergleich zu Triticale und bis zu 20 % zu Stoppelweizen.
Roggen wird also vergleichsweise weniger als andere Getreidearten unter dem Klimawandel leiden und daher zunehmende Anbaubedeutung bekommen.